Datengetriebene Prozessmodellierung in der Umformtechnik
Termin:
16.01.2023
Fördergeber:
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Der Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat im März 2022 die Einrichtung des Schwerpunktprogramms ,,Datengetriebene Prozessmodellierung in der Umformtechnik" (SPP 2422) beschlossen. Als Laufzeit sind sechs Jahre vorgesehen. Die DFG lädt hiermit ein zur Antragstellung für die erste dreijährige Förderperiode.
Problemstellung
Für einen effizienten Serienanlauf neuer umformtechnischer Produktionssysteme ist ein hohes Maß an Erfahrungswissen von Fachkräften für die robuste Prozessauslegung erforderlich, da trotz berechnungsintensiver Ansätze mittels der Finite-Elemente-Methode bis heute Abweichungen zwischen der simulierten und realen Bauteilqualität im Serienprozess bestehen. Mit Blick auf die hohe Komplexität von Umformsystemen sowie stochastische Wechselwirkungen und den damit einhergehenden, notwendigen Modellierungsaufwand erscheint das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen einer realistischen und präzisen numerischen Prozesssimulation als nicht vertretbar.
Seit geraumer Zeit werden daher Sensoren in Prozessfolgen der Umformtechnik integriert, um physikalische Effekte im Prozessgeschehen erfassen und das sogenannte Prozessrauschen von Umformsystemgrößen nachverfolgen zu können. Die Vielzahl an erfassten Signalverläufen führt zwischenzeitlich jedoch zu großen Datenmengen mit unterlagerten Messunsicherheiten, welche nicht mehr mittels traditioneller Informationssysteme in Produktionsumgebungen ausgewertet werden können. Daher ist es für die Entwicklung datengetriebener Modelle für die Umformtechnik essentiell, numerisch gewonnene Erkenntnisse in den Kontext des menschlichen Erfahrungswissens zu setzen, um diese erklärbar und langfristig nutzbar zu machen. Bestehende generische Methoden sind zwar prinzipiell geeignet, gewonnenes Wissen hinsichtlich kausaler Zusammenhänge abzubilden, ihre Adaption für die Auslegung oder gar Optimierung von Produktionsprozessen stellt jedoch ein noch offenes Forschungsfeld dar. Eine weitere wesentliche Problemstellung der datengetriebenen Prozessmodellierung bildet die automatisierte Extraktion von Merkmalen (Features) aus heterogenen Rohdaten des Prozessgeschehens. Den zukünftigen Weg von Rohdaten hin zu Erkenntnissen in Form von erklärbaren und validen Modellen für kausale Zusammenhänge in der Umformtechnik bildet daher ein mehrstufiger, interdisziplinärer Entwicklungsprozess vom generellen Problemverständnis bis zum Einsatz in einer produktiven Umgebung.
Wissenschaftliche Ziele
Ziel des SPP ist die Erarbeitung neuartiger Methoden zur Nutzung des impliziten Wissens aus umformtechnischen Systemdaten in Kombination mit Expertenwissen und Lösungsräumen aus FE-Prozesssimulationen. Es wird dabei angestrebt, mittels einer Vielzahl an heterogenen, realen Umformsystemdaten aus Sensoren in Kombination mit formalisiertem Domänenwissen der Umformtechnik sowie mithilfe von existenten und zu entwickelnden Methoden der Automation und Datenwissenschaften bestehende Modellierungsansätze zu erweitern. Damit sollen bisher unberücksichtigte, komplexe und instationäre Phänomene quantifiziert, nachvollziehbar bzw. erklärbar und das dadurch entstandene neue Wissen schließlich für ein verbessertes Wirkflächendesign der Umformwerkzeuge nutzbar gemacht werden. Auf methodischer Ebene sollen die stochastischen und instationären Effekte in Umformfolgen durch direkte und indirekte Umformsystemdaten erfasst, isoliert und in Kombination mit Domänenwissen in expliziter Darstellung modelliert werden. Die übergeordnete Forschungsfrage stellt sich also konkret dahingehend, inwieweit durch eine datengetriebene Prozessmodellierung aus aufbereiteten Umformsystemdaten aus der Vergangenheit die am besten geeignete Ausgestaltung der Wirkflächen von Umformwerkzeugen für ein- und mehrstufige Umformvorgänge in konstruktiver Hinsicht abgeleitet werden kann. Dabei soll die Verkettung aus der aktuell verwendeten numerischen und analytischen Modellierung mit Funktionen aus datenbasierten Modellen erklärbar gestaltet werden.
Daraus ergeben sich mehrere interdisziplinäre Forschungsaspekte, die in den Teil- bzw. Kooperationsprojekten betrachtet werden sollen:
1. Wie lassen sich ausreichend genaue datenbasierte Repräsentationen von Umformoperationen mit domänenspezifischem Wissen und mit Ergebnissen aus numerischen Prozesssimulationen in expliziter Form kombinieren?
2. Wie kann ein evolvierbarer Zugang durch Schnittstellen zur Datenanalyse geschaffen werden, der auf Basis relevanter und mit qualitätssichernden Meta-Informationen angereicherten Daten beruht?
3. Wie kann durch die kombinierte Nutzung von explizitem Expertenwissen und Umformsystemdaten das Prozessrauschen isoliert und in kurz- und langfristige Effekte zerlegt bzw. quantifiziert werden?
4. Wie kann durch die Integration der abgeleiteten Modelle in realen Produktionsumgebungen neues Wissen für eine effizientere, bedarfsgerechte Bestimmung der Umformsystemparameter und der Werkzeugwirkflächen gewonnen und dadurch die Erklärbarkeit dieser Zusammenhänge erhöht werden?
5. Inwieweit lassen sich durch die neu entwickelten Methoden und abgeleiteten Modelle Rückschlüsse auf die Prozessauslegung neuer Bauteile oder ähnliche Umformverfahren ziehen?
Ausgehend von diesen Forschungsfragen ergeben sich folgende Forschungsschwerpunkte an die Projekte, die vorzugsweise von jeweils einem Partner aus der Umformtechnik und einem Partner aus den Gebieten der Automation, der Datenwissenschaften oder Methoden der KI bearbeitet werden.
Für das Schwerpunktprogramm ist ein Antragszeitraum von insgesamt sechs Jahren (zweimal dreijährige Förderperioden) vorgesehen. In der ersten Förderperiode (1. FÖP) sollen versuchstechnische Voraussetzungen für ein- und mehrstufige Umformprozesse mit zyklischer Be- und Entlastung der Werkzeugwirkflächen geschaffen werden, die eine Digitalisierung des Umformvorgangs im Dauerlauf ermöglichen. Dafür werden an den umformtechnischen Instituten bereits bestehende Umformanlagen für den Dauerlaufbetrieb vorausgesetzt. Die 1. FÖP schließt die Durchführung von Dauerversuchsreihen mit ein, in denen Prozessstörungen und -schwankungen gezielt eingebracht werden, die zu schwankenden Qualitätsmerkmalen des Werkstücks führen. Datenmodelle, Schnittstellen und Qualitätsmessungen sowie die aufgenommenen Datensätze bilden die Basis für eine Robustifizierung des Umformsystems unter Beachtung des Prozessrauschens und sind daher essentieller Forschungsgegenstand. Die 1. FÖP endet mit einer Sammlung von nachvollziehbaren Referenzdatensätzen mit der datenbasierten Repräsentation der Prozessfolge und ersten Adaptionen von Methoden zur Erklärbarkeit in der Kombination mit Domänenwissen und der erlernten Analyseergebnisse.
In der 2. Förderperiode (2. FÖP) werden trainierte Modelle auf Basis der Ergebnisse aus der 1. FÖP als Grundlage zur Erklärung von Wirkzusammenhängen sowie für Methoden zur verbesserten Wirkflächenauslegung von Umformwerkzeugen der Blech- und Massivumformung erwartet. Der fernere Forschungsanspruch der 2. FÖP besteht in der Gegenüberstellung der bis dahin erreichten Prädiktionsgüte und Transferierbarkeit zur Ausgestaltung verbesserter Wirkflächen von Umformwerkzeugen mit dem Stand der Technik, z. B. anhand von Benchmarks.
Weitere Informationen:
https://www.dfg.de/foerderung/info_wissenschaft/2022/info_wissenschaft_22_43/index.html
Problemstellung
Für einen effizienten Serienanlauf neuer umformtechnischer Produktionssysteme ist ein hohes Maß an Erfahrungswissen von Fachkräften für die robuste Prozessauslegung erforderlich, da trotz berechnungsintensiver Ansätze mittels der Finite-Elemente-Methode bis heute Abweichungen zwischen der simulierten und realen Bauteilqualität im Serienprozess bestehen. Mit Blick auf die hohe Komplexität von Umformsystemen sowie stochastische Wechselwirkungen und den damit einhergehenden, notwendigen Modellierungsaufwand erscheint das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen einer realistischen und präzisen numerischen Prozesssimulation als nicht vertretbar.
Seit geraumer Zeit werden daher Sensoren in Prozessfolgen der Umformtechnik integriert, um physikalische Effekte im Prozessgeschehen erfassen und das sogenannte Prozessrauschen von Umformsystemgrößen nachverfolgen zu können. Die Vielzahl an erfassten Signalverläufen führt zwischenzeitlich jedoch zu großen Datenmengen mit unterlagerten Messunsicherheiten, welche nicht mehr mittels traditioneller Informationssysteme in Produktionsumgebungen ausgewertet werden können. Daher ist es für die Entwicklung datengetriebener Modelle für die Umformtechnik essentiell, numerisch gewonnene Erkenntnisse in den Kontext des menschlichen Erfahrungswissens zu setzen, um diese erklärbar und langfristig nutzbar zu machen. Bestehende generische Methoden sind zwar prinzipiell geeignet, gewonnenes Wissen hinsichtlich kausaler Zusammenhänge abzubilden, ihre Adaption für die Auslegung oder gar Optimierung von Produktionsprozessen stellt jedoch ein noch offenes Forschungsfeld dar. Eine weitere wesentliche Problemstellung der datengetriebenen Prozessmodellierung bildet die automatisierte Extraktion von Merkmalen (Features) aus heterogenen Rohdaten des Prozessgeschehens. Den zukünftigen Weg von Rohdaten hin zu Erkenntnissen in Form von erklärbaren und validen Modellen für kausale Zusammenhänge in der Umformtechnik bildet daher ein mehrstufiger, interdisziplinärer Entwicklungsprozess vom generellen Problemverständnis bis zum Einsatz in einer produktiven Umgebung.
Wissenschaftliche Ziele
Ziel des SPP ist die Erarbeitung neuartiger Methoden zur Nutzung des impliziten Wissens aus umformtechnischen Systemdaten in Kombination mit Expertenwissen und Lösungsräumen aus FE-Prozesssimulationen. Es wird dabei angestrebt, mittels einer Vielzahl an heterogenen, realen Umformsystemdaten aus Sensoren in Kombination mit formalisiertem Domänenwissen der Umformtechnik sowie mithilfe von existenten und zu entwickelnden Methoden der Automation und Datenwissenschaften bestehende Modellierungsansätze zu erweitern. Damit sollen bisher unberücksichtigte, komplexe und instationäre Phänomene quantifiziert, nachvollziehbar bzw. erklärbar und das dadurch entstandene neue Wissen schließlich für ein verbessertes Wirkflächendesign der Umformwerkzeuge nutzbar gemacht werden. Auf methodischer Ebene sollen die stochastischen und instationären Effekte in Umformfolgen durch direkte und indirekte Umformsystemdaten erfasst, isoliert und in Kombination mit Domänenwissen in expliziter Darstellung modelliert werden. Die übergeordnete Forschungsfrage stellt sich also konkret dahingehend, inwieweit durch eine datengetriebene Prozessmodellierung aus aufbereiteten Umformsystemdaten aus der Vergangenheit die am besten geeignete Ausgestaltung der Wirkflächen von Umformwerkzeugen für ein- und mehrstufige Umformvorgänge in konstruktiver Hinsicht abgeleitet werden kann. Dabei soll die Verkettung aus der aktuell verwendeten numerischen und analytischen Modellierung mit Funktionen aus datenbasierten Modellen erklärbar gestaltet werden.
Daraus ergeben sich mehrere interdisziplinäre Forschungsaspekte, die in den Teil- bzw. Kooperationsprojekten betrachtet werden sollen:
1. Wie lassen sich ausreichend genaue datenbasierte Repräsentationen von Umformoperationen mit domänenspezifischem Wissen und mit Ergebnissen aus numerischen Prozesssimulationen in expliziter Form kombinieren?
2. Wie kann ein evolvierbarer Zugang durch Schnittstellen zur Datenanalyse geschaffen werden, der auf Basis relevanter und mit qualitätssichernden Meta-Informationen angereicherten Daten beruht?
3. Wie kann durch die kombinierte Nutzung von explizitem Expertenwissen und Umformsystemdaten das Prozessrauschen isoliert und in kurz- und langfristige Effekte zerlegt bzw. quantifiziert werden?
4. Wie kann durch die Integration der abgeleiteten Modelle in realen Produktionsumgebungen neues Wissen für eine effizientere, bedarfsgerechte Bestimmung der Umformsystemparameter und der Werkzeugwirkflächen gewonnen und dadurch die Erklärbarkeit dieser Zusammenhänge erhöht werden?
5. Inwieweit lassen sich durch die neu entwickelten Methoden und abgeleiteten Modelle Rückschlüsse auf die Prozessauslegung neuer Bauteile oder ähnliche Umformverfahren ziehen?
Ausgehend von diesen Forschungsfragen ergeben sich folgende Forschungsschwerpunkte an die Projekte, die vorzugsweise von jeweils einem Partner aus der Umformtechnik und einem Partner aus den Gebieten der Automation, der Datenwissenschaften oder Methoden der KI bearbeitet werden.
Für das Schwerpunktprogramm ist ein Antragszeitraum von insgesamt sechs Jahren (zweimal dreijährige Förderperioden) vorgesehen. In der ersten Förderperiode (1. FÖP) sollen versuchstechnische Voraussetzungen für ein- und mehrstufige Umformprozesse mit zyklischer Be- und Entlastung der Werkzeugwirkflächen geschaffen werden, die eine Digitalisierung des Umformvorgangs im Dauerlauf ermöglichen. Dafür werden an den umformtechnischen Instituten bereits bestehende Umformanlagen für den Dauerlaufbetrieb vorausgesetzt. Die 1. FÖP schließt die Durchführung von Dauerversuchsreihen mit ein, in denen Prozessstörungen und -schwankungen gezielt eingebracht werden, die zu schwankenden Qualitätsmerkmalen des Werkstücks führen. Datenmodelle, Schnittstellen und Qualitätsmessungen sowie die aufgenommenen Datensätze bilden die Basis für eine Robustifizierung des Umformsystems unter Beachtung des Prozessrauschens und sind daher essentieller Forschungsgegenstand. Die 1. FÖP endet mit einer Sammlung von nachvollziehbaren Referenzdatensätzen mit der datenbasierten Repräsentation der Prozessfolge und ersten Adaptionen von Methoden zur Erklärbarkeit in der Kombination mit Domänenwissen und der erlernten Analyseergebnisse.
In der 2. Förderperiode (2. FÖP) werden trainierte Modelle auf Basis der Ergebnisse aus der 1. FÖP als Grundlage zur Erklärung von Wirkzusammenhängen sowie für Methoden zur verbesserten Wirkflächenauslegung von Umformwerkzeugen der Blech- und Massivumformung erwartet. Der fernere Forschungsanspruch der 2. FÖP besteht in der Gegenüberstellung der bis dahin erreichten Prädiktionsgüte und Transferierbarkeit zur Ausgestaltung verbesserter Wirkflächen von Umformwerkzeugen mit dem Stand der Technik, z. B. anhand von Benchmarks.
Weitere Informationen:
https://www.dfg.de/foerderung/info_wissenschaft/2022/info_wissenschaft_22_43/index.html