"Klingt wie Sputnik" - Der typische Sound von Radiomoderationen aus Sicht der Hörer
Projektleiter:
Projektbearbeiter:
Grit Böhme
Finanzierung:
Stiftungen - Sonstige;
Klingt wie Sputnik Typische Radiomoderation aus Hörersicht
Gegenstand und Ziel
Radiohörer erkennen häufig schon nach wenigen Sekunden, welchen Sender oder zumindest, welches Format sie gerade eingeschaltet haben. Die Moderation spielt dabei eine wichtige Rolle. Doch was nehmen sie an der Moderation jenes Senders eigentlich als typisch wahr? Wie würden sie ihren Eindruck beschreiben? Ziel des Projekts ist es, ein Beschreibungsprofil für die typische Moderation eines Radiosenders in der Sprache seiner Hörer zu erstellen. Umgesetzt wurde dies am Beispiel des öffentlich-rechtlichen Jugendradios MDR Sputnik.
Hintergrund
Nach aktuellen kognitionswissenschaftlichen und soziolinguistischen Erkenntnissen ist die Art, wie wir die Sprechweise eines Radiomoderators wahrnehmen und kategorisieren sozial eingebettet und stark beeinflusst von unseren bisherigen Hörerfahrungen dasselbe gilt für die (meist metapragmatischen) Beschreibungen, die wir wählen, um unseren Höreindruck anderen mitzuteilen. Die Sprechwirkungsforschung arbeitet indes üblicherweise mit standardisierten Befragungen, in denen die Probanden ihren persönlichen Eindruck anhand vorgegebener Items beschreiben sollen. Diese Items werden oft von Forschern ausgewählt, die aus anderen soziokulturellen Kontexten stammen als ihre Probanden und die häufig auch an anderen Aspekten interessiert sind als der normale Hörer. Dadurch werden mitunter Items verwendet, die für die Befragten teils nicht relevant sind, teils sogar eine andere Bedeutung haben als vom Forscher intendiert, was die externe Validität des Erhebungsinstruments infrage stellt. Im vorliegenden Projekt sollen daher Beschreibungen gesammelt werden, bei denen möglichst viele der Befragten sich einig sind, dass sie ihren Eindruck treffen .
Methode
Aus einem Korpus von insgesamt 58 Stunden Radioprogramm wurden 120 Moderationsausschnitte von 6-12 Sekunden entnommen. Diese Ausschnitte stammen aus dem Programm von MDR Sputnik (Sputnik-Stimuli) sowie von anderen Radioprogrammen aus demselben Sendegebiet (Nicht-Sputnik-Stimuli).
Die Methode gliedert sich in drei Schritte:
1. ca. 1800 Hörern von MDR Sputnik wurden in einer Onlinebefragung 60 Sputnik- und 60 Nicht- Sputnik-Stimuli in zufälliger Reihenfolge dargeboten. Diejenigen Sputnikmoderationen, die von den Hörer/-innen am zuverlässigsten erkannt wurden, gingen in den nächsten Untersuchungsschritt ein, ebenso die Stimuli aus den übrigen Programmen, die am seltensten mit Sputnik verwechselt wurden.
2. Dieser Schritt ist angelehnt an die Repertory-Grid-Methode und diente dazu, möglichst spontan geäußerte Beschreibungen von den Hörern zu sammeln. In teilstrukturierten Interviews bekamen diese jeweils drei Stimuli (in zufälliger Reihenfolge, davon mindestens ein typischer Sputnik-Stimulus) hintereinander zu hören. Nach dem Hören sollten sie entscheiden, welche zwei der drei Stimuli ihrer Meinung nach ähnlicher zueinander sind und welcher anders sei. Daraufhin wurden sie gebeten, diese Ähnlichkeiten und Unterschiede mit eigenen Worten zu beschreiben. Auf diese Weise wurden 16 Interviews mit jeweils zwei Hörern gleichzeitig geführt (insgesamt 32 Probanden). Je Interview wurden sie zu 16 Triaden, also 48 Stimuli befragt. Die Auswertung dieses Untersuchungsschritts war orientiert an der Grounded Theory nach Corbin und Strauss.
3. Die 25 häufigsten und trennschärfsten Beschreibungen aus den Interviews wurden zu einem Fragebogen formiert und einer weiteren Stichprobe von 48 Sputnik-Hörern vorgelegt. Diese bekamen die 8 am zuverlässigsten erkannten Sputnik-Stimuli und die 8 am seltensten mit Sputnik verwechselten Nicht-Sputnik-Stimuli in zufälliger Reihenfolge zu hören und sollten jeweils einschätzen, wie gut die vorgegebenen Items zu ihrem Eindruck vom gerade gehörten Stimulus passen . Es wurde geprüft, worin sich die Sputnik-Stimuli in der Beurteilung der Hörer ähneln, und wo sie sich signifikant von den Nicht-Sputnik-Stimuli unterscheiden. Zudem wurden mittels einer explorativen Faktorenanalyse mögliche zugrundeliegende Dimensionen ermittelt.
Zusätzlich wurde eine weitere Studie mit 22 Hörern des Kulturradios MDR Figaro durchgeführt, die demografisch mit den Sputnik-Hörern vergleichbar waren. Ihnen wurden dieselben Moderationsmitschnitte präsentiert (vgl. Böhme i.Dr.). In einer Pilotuntersuchung mit 6 dänischen Radiohörern wurde diese Methode darüber hinaus auf ihre Eignung für interkulturelle Vergleiche hin getestet (vgl. Böhme 2015).
Veröffentlichungen
Böhme, Grit (i.Dr.): Erwachsen sein und erwachsen werden: Altersstereotype junger Radiohörer/ -innen im Vergleich. In: Medien & Altern 8/16, 97-102.
Böhme, Grit (2015): "He'd just keep blabbering on if they don't stop him" Was Hörer über Radiomoderatoren sagen. In: Bose, Ines (Hg.): Radio, Sprache, Klang. Forschungen zur Radioästhetik und Radioidentität. (=SPIEL NF (2015), Heft 1). Frankfurt am Main, 221-238.
Böhme, Grit (2014): Typische Radiomoderation? In: Ebel, Alexandra (Hg.): Aussprache und Sprechen im interkulturellen, medienvermittelten und pädagogischen Kontext. (Reihe: Reflexionen des Gesellschaftlichen in Sprache und Literatur. Hallesche Beiträge), Halle/Saale, 35-48.
Böhme, Grit (2013): How listeners perceive the presenter s voice. In: Stachyra, Grażyna (Hg.): Radio. Community Challenges Aesthetics. Lublin, 235-250.
Böhme, Grit (2012): "Klingt wie Sputnik" Der typische Sound von Radiomoderationen aus Sicht der Hörer. In: Rundfunk und Geschichte 3/4, 66-68.
Anmerkungen
Das Promotionsprojekt ist Bestandteil des interdisziplinären Projekts "Radioästhetik. Medienästhetik des Radios im programmlichen, historischen und interkulturellen Vergleich" (Prof. Föllmer, Prof. Bose), an dem VertreterInnen der medienwissenschaftlichen Audiokulturforschung, der Sprechwissenschaft, der kulturwissenschaftlichen Rundfunkforschung und der Sound Studies beteiligt sind.
Gegenstand und Ziel
Radiohörer erkennen häufig schon nach wenigen Sekunden, welchen Sender oder zumindest, welches Format sie gerade eingeschaltet haben. Die Moderation spielt dabei eine wichtige Rolle. Doch was nehmen sie an der Moderation jenes Senders eigentlich als typisch wahr? Wie würden sie ihren Eindruck beschreiben? Ziel des Projekts ist es, ein Beschreibungsprofil für die typische Moderation eines Radiosenders in der Sprache seiner Hörer zu erstellen. Umgesetzt wurde dies am Beispiel des öffentlich-rechtlichen Jugendradios MDR Sputnik.
Hintergrund
Nach aktuellen kognitionswissenschaftlichen und soziolinguistischen Erkenntnissen ist die Art, wie wir die Sprechweise eines Radiomoderators wahrnehmen und kategorisieren sozial eingebettet und stark beeinflusst von unseren bisherigen Hörerfahrungen dasselbe gilt für die (meist metapragmatischen) Beschreibungen, die wir wählen, um unseren Höreindruck anderen mitzuteilen. Die Sprechwirkungsforschung arbeitet indes üblicherweise mit standardisierten Befragungen, in denen die Probanden ihren persönlichen Eindruck anhand vorgegebener Items beschreiben sollen. Diese Items werden oft von Forschern ausgewählt, die aus anderen soziokulturellen Kontexten stammen als ihre Probanden und die häufig auch an anderen Aspekten interessiert sind als der normale Hörer. Dadurch werden mitunter Items verwendet, die für die Befragten teils nicht relevant sind, teils sogar eine andere Bedeutung haben als vom Forscher intendiert, was die externe Validität des Erhebungsinstruments infrage stellt. Im vorliegenden Projekt sollen daher Beschreibungen gesammelt werden, bei denen möglichst viele der Befragten sich einig sind, dass sie ihren Eindruck treffen .
Methode
Aus einem Korpus von insgesamt 58 Stunden Radioprogramm wurden 120 Moderationsausschnitte von 6-12 Sekunden entnommen. Diese Ausschnitte stammen aus dem Programm von MDR Sputnik (Sputnik-Stimuli) sowie von anderen Radioprogrammen aus demselben Sendegebiet (Nicht-Sputnik-Stimuli).
Die Methode gliedert sich in drei Schritte:
1. ca. 1800 Hörern von MDR Sputnik wurden in einer Onlinebefragung 60 Sputnik- und 60 Nicht- Sputnik-Stimuli in zufälliger Reihenfolge dargeboten. Diejenigen Sputnikmoderationen, die von den Hörer/-innen am zuverlässigsten erkannt wurden, gingen in den nächsten Untersuchungsschritt ein, ebenso die Stimuli aus den übrigen Programmen, die am seltensten mit Sputnik verwechselt wurden.
2. Dieser Schritt ist angelehnt an die Repertory-Grid-Methode und diente dazu, möglichst spontan geäußerte Beschreibungen von den Hörern zu sammeln. In teilstrukturierten Interviews bekamen diese jeweils drei Stimuli (in zufälliger Reihenfolge, davon mindestens ein typischer Sputnik-Stimulus) hintereinander zu hören. Nach dem Hören sollten sie entscheiden, welche zwei der drei Stimuli ihrer Meinung nach ähnlicher zueinander sind und welcher anders sei. Daraufhin wurden sie gebeten, diese Ähnlichkeiten und Unterschiede mit eigenen Worten zu beschreiben. Auf diese Weise wurden 16 Interviews mit jeweils zwei Hörern gleichzeitig geführt (insgesamt 32 Probanden). Je Interview wurden sie zu 16 Triaden, also 48 Stimuli befragt. Die Auswertung dieses Untersuchungsschritts war orientiert an der Grounded Theory nach Corbin und Strauss.
3. Die 25 häufigsten und trennschärfsten Beschreibungen aus den Interviews wurden zu einem Fragebogen formiert und einer weiteren Stichprobe von 48 Sputnik-Hörern vorgelegt. Diese bekamen die 8 am zuverlässigsten erkannten Sputnik-Stimuli und die 8 am seltensten mit Sputnik verwechselten Nicht-Sputnik-Stimuli in zufälliger Reihenfolge zu hören und sollten jeweils einschätzen, wie gut die vorgegebenen Items zu ihrem Eindruck vom gerade gehörten Stimulus passen . Es wurde geprüft, worin sich die Sputnik-Stimuli in der Beurteilung der Hörer ähneln, und wo sie sich signifikant von den Nicht-Sputnik-Stimuli unterscheiden. Zudem wurden mittels einer explorativen Faktorenanalyse mögliche zugrundeliegende Dimensionen ermittelt.
Zusätzlich wurde eine weitere Studie mit 22 Hörern des Kulturradios MDR Figaro durchgeführt, die demografisch mit den Sputnik-Hörern vergleichbar waren. Ihnen wurden dieselben Moderationsmitschnitte präsentiert (vgl. Böhme i.Dr.). In einer Pilotuntersuchung mit 6 dänischen Radiohörern wurde diese Methode darüber hinaus auf ihre Eignung für interkulturelle Vergleiche hin getestet (vgl. Böhme 2015).
Veröffentlichungen
Böhme, Grit (i.Dr.): Erwachsen sein und erwachsen werden: Altersstereotype junger Radiohörer/ -innen im Vergleich. In: Medien & Altern 8/16, 97-102.
Böhme, Grit (2015): "He'd just keep blabbering on if they don't stop him" Was Hörer über Radiomoderatoren sagen. In: Bose, Ines (Hg.): Radio, Sprache, Klang. Forschungen zur Radioästhetik und Radioidentität. (=SPIEL NF (2015), Heft 1). Frankfurt am Main, 221-238.
Böhme, Grit (2014): Typische Radiomoderation? In: Ebel, Alexandra (Hg.): Aussprache und Sprechen im interkulturellen, medienvermittelten und pädagogischen Kontext. (Reihe: Reflexionen des Gesellschaftlichen in Sprache und Literatur. Hallesche Beiträge), Halle/Saale, 35-48.
Böhme, Grit (2013): How listeners perceive the presenter s voice. In: Stachyra, Grażyna (Hg.): Radio. Community Challenges Aesthetics. Lublin, 235-250.
Böhme, Grit (2012): "Klingt wie Sputnik" Der typische Sound von Radiomoderationen aus Sicht der Hörer. In: Rundfunk und Geschichte 3/4, 66-68.
Anmerkungen
Das Promotionsprojekt ist Bestandteil des interdisziplinären Projekts "Radioästhetik. Medienästhetik des Radios im programmlichen, historischen und interkulturellen Vergleich" (Prof. Föllmer, Prof. Bose), an dem VertreterInnen der medienwissenschaftlichen Audiokulturforschung, der Sprechwissenschaft, der kulturwissenschaftlichen Rundfunkforschung und der Sound Studies beteiligt sind.
Schlagworte
Radio, Sound, Sprechausdruck, Stimme
Kontakt
Prof. Dr. habil. Ines Bose
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Institut für Musik, Medien- und Sprechwissenschaften
Emil-Abderhalden-Str. 26-27
06108
Halle (Saale)
Tel.:+49 345 5524461
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