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Von der "Anhalter Clique" über die "gut Kaiserlichen" bis zur "hannöverschen Partei". Diskursive Konstruktion und realpolitischer Einfluss von Parteiungen am Hof Friedrich Wilhelms I. von Preußen
Projektleiter:
Finanzierung:
Haushalt;
Mit dem (Wieder-)Erstarken der frühneuzeitlichen Hofforschung sind in den letzten Jahren auch höfische Interessengruppen, landläufig oft als „Parteien“ bezeichnet, stärker in das Interesse der Forschung gerückt. So forderte beispielsweise Michael Rohrschneider (2020) kürzlich, die Beschäftigung mit höfischen Faktionen solle ein wesentlicher Gegenstand der Erforschung frühneuzeitlicher Institutionen und Außenbeziehungen sein. Das letztliche Ziel solcher Untersuchungen müsse sein, eine begriffliche und inhaltliche Schärfung des Konzepts der Hofparteien anhand von Beispielfällen vorzunehmen.
Zugleich konstatiert Rohrschneider, dass für Brandenburg-Preußen, bis auf wenige Ausnahmen in Ansätzen, bislang systematische Studien zur inhaltlichen wie begrifflichen Schärfung des (Hof-)Parteienbegriffs fehlten. Dieses von Rohrschneider aufgeworfene Desiderat der Forschung soll durch das vorliegende Promotionsprojekt aufgegriffen werden. Es geht darum, eben jene inhaltliche und begriffliche Schärfung des Konzepts für den preußischen Hof vorzunehmen, indem für eine bestimmte Regierungszeit das Agieren von Interessengruppen, die potentiell als ‚Parteien' zu fassen sind, in mehreren Fällen untersucht wird. Dafür wurde ein Zeitraum gewählt, für den die historische Forschung lange Zeit einen Rückgang der Bedeutung des Hofes und damit auch des Einflusses des höfischen Personenkreises auf den König postulierte: die Regierung König Friedrich Wilhelms I. (reg. 1713-1740).
So spricht Wolfgang Neugebauer für diese Zeit von einer „Entpolitisierung des Hofes“ (Neugebauer 2002, S. 148). Andererseits wird aber für Friedrich Wilhelms Hof, was auf den ersten Blick widersprüchlich scheint, stets auch die Existenz von Parteiungen unterstrichen. So revidiert Neugebauer selbst seine These der Entpolitisierung ein Stück weit, wenn er davon spricht, dass es „[g]ewiß […] politisch gefärbte Parteiungen am preußischen Hof unter Friedrich Wilhelm I. gegeben“ habe (Ebd.). Als (einziges) Beispiel führt er das Wirken der Königin Sophie Dorothea an, sie habe „bisweilen eigene Akzente zu setzen vermocht“ (Ebd.). Dies scheint Neugebauer als Beleg für Parteienbildung auszureichen, eine Erörterung des Begriffs selbst oder gar eine kategorien- oder definitionsgeleitete Untersuchung erfolgt nicht.
Dies ist, wie auch Rohrschneider feststellt, symptomatisch für den Umgang mit dem Quellenbegriff „Partey”/„Faktion” wie auch mit dem Forschungskonzept der ‚Hofparteien'. Friedrich Foerster (1835), Johann Gustav Droysen (1869), Otto Krauske (1905), Friedrich von Oppeln-Bronikowski (1934), Carl Hinrichs (1971), und zuletzt auch noch Leonhard Horowski (2019) und Frank Göse (2020) postulieren ebenfalls die Existenz von Parteiungen am Hof des sog. ‚Soldatenkönigs'. Sie alle eint, dass diese Feststellung wie selbstverständlich durch die Verwendung der Begriffe „Partei“ oder „Faktion“ erfolgt, ohne dass eine Klärung vorgenommen wird, welches Begriffskonzept oder welche einordnenden Kriterien dieser Zuschreibung zugrunde liegen. Genau diese Unschärfe soll das Projekt in den Blick nehmen, indem mit Hilfe von aus der bisherigen Hofforschung abgeleiteten Untersuchungskriterien mehrere höfische Interessengruppen, die in unterschiedlichen politischen Kontexten und Konstellationen an Friedrich Wilhelms Hof in Erscheinung treten, analysiert werden. Dabei sollen die Zusammensetzung, die Stabilität, die realpolitische Wirksamkeit und insbesondere die rhetorisch-diskursive Hervorbringung dieser Gruppen betrachtet werden. Dies geschieht anhand einer breitgefächerten Quellenauswahl, in der Gesandten- und interne Hofkorrespondenzen eine zentrale Rolle einnehmen.
Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen einerseits Aufschluss über Funktionsweisen und innere Dynamiken des Hofes Friedrich Wilhelms geben, andererseits aber im Sinne des von Rohrschneider skizzierten Desiderats auch einen Beitrag zur Parteien- und Hofforschung der Frühen Neuzeit darstellen.
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