Spiritismus in Deutschland. Die Rezeption des amerikanischen Spiritualisten Andrew Jackson Davis zwischen Republikanismus, freier Religion und Wissenschaft im langen 19. Jahrhundert)
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Das Projekt untersucht die Verwobenheiten zwischen Akteuren und Programmen, die in der Geschichtsschreibung in der Regel disparat behandelt oder gegeneinander ausgespielt werden: Spiritismus vs. Wissenschaft, Spiritismus vs. Christentum, Spiritismus vs. politische Verwerfungen wie die Revolution von 1848 in Deutschland. Im Fokus des Projekts stehen die Werke von Andrew Jackson Davis (1826-1910), eines der meistzitierten Autoren des amerikanischen Spiritualismus, sowie deren Einschreibung in deutschsprachige Debatten über Religion, Wissenschaft und Gesellschaftsreform. Für die Etablierung des Spiritismus in Deutschland waren nicht zuletzt Übersetzungen amerikanischer Texte maßgeblich: Christian Gottfried Daniel Nees von Esenbeck, Gregor Konstantin Wittig und Georg von Langsdorff übersetzten zentrale Werke von Andrew Jackson Davis und verbreiteten damit Kenntnisse über den amerikanischen Spiritualismus und Harmonische Philosophie im Zusammenhang der spiritistischen Bewegung in Deutschland. Grundsätzlich wird der Spiritismus des 19. Jahrhunderts meist an den Rändern der Religionsgeschichte verortet und im Gegensatz zu etablierter Religion, zu Wissenschaft und Gesellschaft repräsentiert. Das hat Folgen für die religionshistorische Erschließung nicht nur der spiritistischen Praktiken. Vor allem produzieren diese Konnotationen systematisch eine Verdrängung der Inhalte spiritistischer Ansätze im 19. Jahrhundert bzw. eine isolierte (Wieder-)Einschreibung. Darüber hinaus werden die dazugehörigen Akteure des 19. Jahrhunderts oder bestimmte Aspekte ihres Werkes in der Geschichtsschreibung entweder marginalisiert oder ganz aus dem jeweils konzipierten Erklärungsmuster für die Entwicklung der Moderne als nicht-fortschrittlich oder als anachronistisch ausgeschieden. Offensichtliche Verbindungslinien zwischen Spiritismus und freier Religion (Deutschkatholiken, Lichtfreunde/Protestantische Freunde) werden nicht einmal im Fokus der Religionsgeschichte im Zusammenhang thematisiert. Dabei ist zu betonen, dass die hier zu untersuchenden Protagonisten der Davis-Rezeption in Deutschland nicht nur als Wissenschaftler Akzente gesetzt haben, wie etwa der Leopoldina-Präsident Nees von Esenbeck oder der Mitbegründer der akademischen Stomatologie in Deutschland, Georg von Langsdorff. Vielmehr waren Nees und später auch Gregor Konstantin Wittig zentrale Akteure der deutschkatholischen Bewegung in Preußen. Zentral scheinen darüber hinaus die politischen bzw. revolutionären Funktionen zu sein, die Nees und Langsdorff um 1848 herum innehatten. Es werden somit rezeptionelle Zusammenhänge zwischen Spiritismus, Wissenschaft und Politik untersucht. Dabei wird davon ausgegangen, dass von diesem Umfeld wesentliche Impulse für den wissenschaftlich-kulturell-politischen Diskurs ausgegangen sind. Bisherige Narrative zum langen 19. Jahrhundert und der hier entwickelten Episteme sollen bezüglich des Zusammenhanges von Religion, Wissenschaft und Politik überprüft werden.
Kontakt
Prof. Dr. Daniel Cyranka
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Institut für Systematische Theologie, Praktische Theologie und Religionswissenschaft
Frankeplatz 1
06110
Halle (Saale)
Tel.:+49 345 5523080
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