« Projekte
Sie verwenden einen sehr veralteten Browser und können Funktionen dieser Seite nur sehr eingeschränkt nutzen. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser. http://www.browser-update.org/de/update.html
Exzerpieren, Zitieren, Plagiieren
Projektleiter:
Prof. Dr. Elisabeth Décultot, Prof. Dr. Helmut Zedelmaier, M.A. Mike Rottmann
Finanzierung:
Alexander von Humboldt-Stiftung ;
Das Projekt untersucht Transformationen des Lesens und Schreibens im Blick auf Praktiken des Exzerpierens, Zitierens und Plagiierens von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart in gesamteuropäischer Perspektivierung. Dabei gilt dem 18. Jahrhundert als Übergangsepoche und Bindeglied zwischen humanistischer Tradition und Moderne besondere Aufmerksamkeit.

Präsentation
Lesen als Tätigkeit
Lesen, Exzerpieren und damit verknüpfte Praktiken wie das Zitieren und Plagiieren sind grundlegende Tätigkeiten schriftlicher Wissensproduktion und -zirkulation. Sie werden kultur-, epochen- und fachübergreifend geübt. Ihre unterschiedlichen Formen und Praktiken standen lange Zeit im Schatten historischer und philologischer Aufmerksamkeit. Vielfach wurden sie als selbstverständliche, weitgehend invariable Tätigkeiten aufgefasst. Mit der Digitalisierung, die das Sammeln, Speichern und Zirkulieren von Informationen mit neuen technischen Möglichkeiten verbindet, wächst in jüngster Zeit auch das Interesse, Wissens- und Literaturproduktionen hinsichtlich ihrer veränderlichen Praktiken und Techniken zu untersuchen.

Vom Exzerpieren zum Schreiben
Ausgangspunkt der Untersuchungen ist das Exzerpt (Lateinisch: excerptum, Französisch: extrait, Englisch: excerpt oder extract, Italienisch: estratto). Zur Frage, was genau ein Exzerpt ist, wie exzerpiert wurde, Exzerpte gesammelt, geordnet und aufbewahrt wurden, wie sich das Verständnis des Exzerpts und die damit verbundenen Tätigkeiten historisch verändert haben, gibt es bislang nur wenige Untersuchungen ( weiterführende Literatur). Seit der Renaissance wurden europäische Gelehrten angehalten, Sammlungen von Leseaufzeichnungen anzulegen. Die allzeit verfügbaren Repositorien konnten gelegentlich den Umfang handgeschriebener vielbändiger ‚Bibliotheken‘ annehmen. Sie dienten einerseits als Speicher für ausgewählte Auszüge, Zitate, Tropen oder Ideen. Andererseits wurden sie als Steinbrüche ausgewertet, denen sich Materialien für die Herstellung eigener Texte entnehmen ließen.

Zwischen Lektürespeicher und Schreibfabrik
Für die Geschichte des Lesens und Schreibens erweisen sich solche Lektürespeicher - Exzerpthefte, Exzerptbücher, Zettelkästen (seit dem 18. Jahrhundert) und jüngere digitale Lektüre-Repositorien - als Quellen von außerordentlichem Wert. Über wenigstens zwei zentrale Aspekte der Textproduktion können sie genauere Aufschlüsse geben. Dokumentiert wird einerseits die Lesetätigkeit des Exzerpierenden: die Lektürespeicher belegen die Vertrautheit mit diesem oder jenem Autor, die Vorliebe für dieses oder jenes Buch und Fachgebiet. Doch beschränkt sich ihre Aussagekraft nicht darauf, Auskunft über gelesene Werke zu geben. Lektürespeicher sind auch Keimzellen der eigenen Schreibarbeit, erlauben Einblicke in die Werkstatt des Schreibenden. Ihnen lässt sich entnehmen, wie fremde in eigene Werke verarbeitet und dadurch verwandelt wurden.

Fragestellungen
Vier Fragestellungen sind für die Untersuchungen der Praktiken des Exzerpierens im historischen Wandel leitend:
1/Wie haben sich die Modalitäten der exzerpierenden Lese- und Schreibmethode seit der Renaissance bis in die Gegenwart verändert? Welche historischen Kontexte bestimmten diesen Wandel? Eine wichtige Rolle spielt offensichtlich die Aufklärung, eine Epoche, in der die ‚ars excerpendi‘ einerseits als bloße Kopiertätigkeit einer scharfen Kritik unterzogen wird, andererseits aber weiterhin traditionelle (sowie neue) Formen der Wissensakquisition intensiv genutzt werden.
2/Um eine differenzierte Sicht auf die Geschichte des Exzerpierens sowie die europäische Kulturgeschichte des Lesens, Schreibens und der Text- und Wissenszirkulation zu gewinnen, wird die Geschichte des Exzerpts und des Exzerpierens auch im Blick auf verschiedene europäische Regionen und Sprachräumen vergleichend untersucht.
3/Auch wird der Frage nachgegangen, wie sich die Exzerpiertätigkeit auf die Schreibtätigkeit ausgewirkt hat. Wie genau hängen die historisch besonderen Formen und Praktiken des Lesens, Exzerpierens, der Lektüreverwaltung und Lektüreverarbeitung mit den historisch besonderen Formen und Praktiken des Schreibens zusammen?
4/Schließlich geht es auch darum, wie sich die Lektürepraktiken des Exzerpierens zu Kernbegriffen unseres modernen Literaturverständnisses (Autor, Original und Originalität, Nachahmung, Kopie, Erfindung, Plagiat) verhalten, sowie darum, warum und weshalb den Exzerpten und den Praktiken des Exzerpierens heute eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Kontakt

weitere Projekte

Die Daten werden geladen ...