In Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft herrscht eine übereinstimmende Vision vor, dass die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland (und weltweit) an umfassend verstandenen Nachhaltigkeitskriterien auszurichten ist. Dies schließt Umwelt- und Klimaschutz ebenso ein wie die verantwortungsvolle Nutzung von natürlichen Ressourcen, die Erhaltung der Biodiversität, den Verbraucherschutz, aber auch die globale Ernährungssicherheit und die Anpassungsfähigkeit der Agrarsysteme an veränderte Verbrauchergewohnheiten. Ein wesentliches Hindernis für eine solche inhaltliche Vision nachhaltiger Agrarsysteme besteht darin, dass die moralische Engführung öffentlicher und politischer Diskurse über landwirtschaftliche Produktion den Blick auf mögliche Lösungsoptionen verstellen kann (= landwirtschaftliche Mythen ). Zur Überwindung dieses Hindernisses untersucht das Projekt landwirtschaftliche Mythen aus ethischer und (agrar)ökonomischer Sicht mit dem Ziel, einen breiten Nachhaltigkeitsfokus zu ermöglichen, um blinde Flecke identifizieren und aufhellen zu können. Mit dieser Ausrichtung leistet das Projekt einen wissenschaftlichen Beitrag zur Aufklärung öffentlicher Kommunikationsprozesse, indem es die Mythen über Agrarproduktion identifiziert und auf diese Weise die gesellschaftlichen Diskurse stärker auf eine erfolgreiche Umsetzung des Anliegens nachhaltiger Entwicklung ausrichtet.
Die Schwerpunkte des Forschungsprojekts liegen auf folgenden Aspekten:
- Identifikation von Herausforderungen landwirtschaftlicher Produktion und Innovation in Form einer Diskursanalyse aktueller öffentlicher Debatten. Hierzu werden Zeitschriften- und Tageszeitungsbeiträge untersucht, die in führenden deutschen und internationalen Print- und Online-Medien in den letzten Jahren veröffentlicht wurden.
- Identifikation von verbreiteten moralischen Vorstellungen und ggf. Engführungen über Landwirtschaft, landwirtschaftliche Produktion und Innovation. Zu diesem Zweck werden zusätzlich Experteninterviews mit relevanten Akteuren und Organisationen im landwirtschaftlichen Sektor durchgeführt, u.a. mit Verbänden der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft, NGOs und Experten aus Politik, Wissenschaft und Medien. Die Interviewleitfäden beinhalten offene Fragen im Hinblick auf die moralischen Dimensionen landwirtschaftlicher Produktion, z. B. hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit und der Förderung(swürdigkeit) von Kleinbauern.
- Untersuchung der im Rahmen der Diskursanalyse und der Interviewanalyse erhobenen Textdaten mit Hilfe innovativer Methoden der qualitativen empirischen Analyse. Hierzu werden statistische Verknüpfungen und Kausalbeziehungen zwischen den identifizierten moralischen Konzepten erhoben und als mentale Landkarte der Probanden interpretiert. Sie offenbaren die Muster moralischer Argumentation und werden dazu verwendet, moralische Argumente zu klassifizieren und einer weiterführenden Semantikanalyse zuzuführen.
The Ethics and Economics of Modern Agricultural Myths (AGRIMYTH)
A striking feature of the food and fiber system, both worldwide and in Germany, is the controversial nature of public discourse about a range of issues including the role of small- scale farming, GMOs, and financial speculation with foodstuffs. This discourse is framed not only by extraordinarily rigid mental models (i.e., myths) but also by moral semantics. For these reasons, the assessment of risks and benefits of many agricultural and life-science innovations seems to remain particularly impervious to scientific evidence. The project seeks to contribute to rationalizing these debates by combining the tools of ethical and economic analysis. The project will be implemented by two PhD students. One of them will be responsible for the ethical part and be affiliated with the Chair of Economic Ethics at Martin- Luther-University Halle-Wittenberg. The other student will be responsible for the economic part and be affiliated with IAMO. Both students are supposed to work closely together and be jointly supervised by the principal investigators.
The key activities will include:
- a discourse analysis of the current debates on the modes and challenges of agricultural production. The discourse analysis will encompass relevant contributions that appeared in major German and international print media outlets;
- a clarification of the popular moral beliefs about agriculture, agricultural production methods and innovations. To this end, the project will perform expert interviews with relevant organizations and actors of the food and fiber system, including farmer associations, both conventional and organic producers, NGOs and experts from politics, academia as well as from the media. Interview guidelines will contain open questions related to the moral dimension of agricultural production, e.g. with respect to the aspects of food security and small-scale farming;
- Innovative, qualitative-empirical methods to analyze the discourse and interview data. This will allow generating causal connections to reveal meaningful relationships between basic moral concepts identified within text samples. Interpreting these connections as representations of the mental landscape of interviewed and authors will help to disclose the patterns of moral argumentation and to classify the identified moral arguments using a semantic analysis.