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Netzwerkarbeit und gesellschaftliches Engagement ermöglichen positive regionale Willkommens­kultur
von Janet Anders

Am Freitag, dem 21. Juni 2013, waren Experten für Willkommens- und Anerkennungskultur aus ganz Deutschland und Vertreter regionaler Serviceeinrichtungen auf Einladung der Hochschule Harz, des Ministeriums für Arbeit und Soziales Sachsen-Anhalt sowie der Harz AG auf dem Wernigeröder Campus zu Gast. Unter dem Motto „Etablierung einer Willkommenskultur durch regionale Servicestrukturen – Herausforderungen und Perspektiven“ standen der persönlicher Austausch, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und zukünftige Herausforderungen im Fokus.

Nach einem gemeinsamen Abendessen und einem Vortrag des Vereins „Wernigeröder Interkulturelles Netzwerk e.V.“ am Vorabend, wurde die Tagung offiziell eröffnet durch Hochschul-Rektor Prof. Dr. Armin Willingmann, der verdeutlichte, dass die Attraktivität von Hochschule, Region und Bundesland auch von Austausch und Interkulturalität abhängt und nicht an Landesgrenzen endet. Mit einem klaren Hinweis in Richtung Landespolitik erklärte er: „Einflüsse von Außen tun jedem Land gut, Abschottung nicht. Die Hochschule ist stolz auf den mit 37 Prozent hohen Anteil westdeutscher Studierender, viele davon verbleiben im Land oder werben andernorts für Sachsen-Anhalt“. Der Jurist betonte zugleich die Bedeutung der sogenannten „Provinz“: „In unserem Land sind die allermeisten Regionen ‚Provinz‘, aber daran ist nichts auszusetzen! Man kann auch und gerade in kleinen Städten ausgezeichnet lernen, forschen, arbeiten und sich hier wohl fühlen - verschließt man sich jedoch nach Außen, passiert das genaue Gegenteil: Dann entsteht ein katastrophaler Provinzialismus“.

Der erste Impulsvortrag drehte sich um „Fachkräftegewinnung im Kontext des demografischen Wandels“ und betrachtete Marketing als prozessualen Ansatz. Prof. Dr. Uwe Manschwetus vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften erklärte: „Um qualifizierte Migranten in unser Land zu locken, reicht eine einfache Anzeigenschaltung nicht aus; umfassendes, professionelles Marketing ist nötig“. Dem stimmte Prof. Dr. Jens Cordes zu. Der Harzer Hochschullehrer stellte klar: „‚Migrationsmarketing‘ besteht bisher aus vielen Akteuren, Aktivitäten und Einzelmaßnahmen, es fehlt jedoch der gemeinsame Handlungsrahmen“. Das sei eine komplexe Aufgabe, so müssten Aspekte einzelner Kulturen berücksichtigt werden, die Strategie müsse sich aber an die Gesamtheit richten. „Migration ist keine einmalige Entscheidung, sondern das Ergebnis eines biografischen Entwicklungsprozesses“, so Cordes. Dieser „Life Course“-Ansatz wurde durch ein Schaubild verdeutlicht, was den potentiellen Migranten in den Phasen Schulabschluss, Ausbildung/ Studium und „eventuelle Migration“ zeigte. An jedem Punkt gelte es, verschiedene Fragen zu beantworten: Welche Erlebnisse begleiten diesen Weg? Welche Maßnahmen gibt es im Heimatland und wo kann angesetzt werden? Im Publikumsgespräch wurde deutlich, dass das „Gesamtpaket Leben“ zu bewerben und Marketing als Instrument des Beziehungsmanagements zu sehen sei. Auch die gesamtgesellschaftliche Verantwortung und die Grenzen der Willkommenskultur, die allzu oft in rechtlichen Aspekten und bei dem Umgang mit Behörden zu finden sind, kamen zur Sprache.

Eine weitere Entwicklung betrachtete Thomas Brammer vom Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt: „Die Wanderungsbewegung ist bei uns auf hohem Niveau, gleicht sich aber an; so ist der ‚Verlust‘ an Einwohnern etwas geringer geworden in letzten Jahren“. Er betonte, wie wichtig es ist, auch „weiche“ Faktoren der Rückwanderung zu berücksichtigen, z.B. Familien zu unterstützen und die Kinderbetreuung zu stärken. Im Anschluss stellte Dr. Robert Nadler vom Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig das Projekt „Re-Turn“ vor. Am Beispiel des Landkreises Görlitz zeigte er auf, dass die Rückwanderung im Nachhinein als nicht schwierig beschrieben wird, vorher bestehen jedoch große Bedenken. „Die Bereitschaft zur Rückwanderung (in die Heimatregion) ist sehr hoch, es überwiegen soziale Motive. Wir erkennen ein hohes Bildungsniveau sowie Verzichtsbereitschaft beim Gehalt, allerdings sollte eine Konzentration auf lokale Initiativen erfolgen, denn Rückkehrer wollen nicht in ein spezielles Bundesland sondern in ihren Landkreis kommen“, so der Experte, der auch Schwierigkeiten ansprach: „Ökonomische Unzufriedenheit, Arbeitslosigkeit, prekäres oder nicht passgenaues Arbeiten und die Einbindung von Ehepartnern sind die größten Stolpersteine“, gab er zu bedenken.

„Regionale und überregionale Kooperationen zur Stärkung der Willkommenskultur“ thematisierte Peter Hausmann, Vorstand der Harz AG. Nach einer Präsentation der hiesigen Strukturen übergab er an Projektmanagerin Antonia Schreiber, die die Säulen der „Willkommensagentur Landkreis Harz“ erläuterte und auf die Webseite www.zuhause-im-harz.de einging, die neben der persönlichen Ansprache, z.B. durch eine „Rückkehrerhotline“, und dem Facebook-Auftritt, als Hauptkommunikationsmittel fungiert.

Die Chancen und Herausforderungen regionaler Willkommensagenturen standen auch beim Workshop im Mittelpunkt. In einem Austausch zu „Best Practice Beispielen“ wurden z.B. die Willkommensinitiative in der Uckermark sowie die studentische Gruppe „InterForum“, die an der Hochschule Harz ausländische Studierende betreut, gelobt. Ausbaufähig sei die Kommunikation extern als auch untereinander, es müssten weiterhin gemeinsame Rahmenbedingungen geschaffen werden und zentrale Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Eine Diskussion über die Nutzung von Social Media zeigte eine große Meinungs- und Erfahrungsvielfalt. Einigkeit bestand bei den Vorteilen von Paten-Programmen, Einbürgerungsfesten und interkulturellen Events, denn „letztendlich entscheidet stets der persönliche Kontakt“, wie Prof. Dr. Jens Cordes betonte.

Das Organisationsteam unter Leitung der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Katja Kreßmann zeigte sich sehr zufrieden: „Im Mittelpunkt standen die Vernetzung und das miteinander Sprechen; das ist hervorragend gelungen - auch dank zahlreicher Studierender der Hochschule Harz, die uns im Rahmen der Fachs ‚Event-Management‘ unterstützten“. Die von Prof. Dr. Jens Cordes vorgestellten Erkenntnisse zum „Migrationsmarketing“ stellten eine erste akademische Begleitung praktischer Aufgabenfelder und Herausforderungen dar: „Das Feedback der Teilnehmer zeigt uns, dass eine weitere wissenschaftliche Bearbeitung dieses Bereiches dringend notwendig und für die Arbeit der Serviceeinrichtungen enorm hilfreich ist - wir planen eine Vertiefung unserer Aktivitäten auf diesem Gebiet; auch Publikationen sind in Vorbereitung“, so Kreßmann weiter.