Zivilgesellschaftliche Akteure der Vergangenheitspolitik. Die Geschichte des Japanischen Hinterbliebenenverbandes
Projektleiter:
Projektbearbeiter:
Dr. Tino Schölz
Finanzierung:
Die Niederlage im zweiten Weltkrieg stellte für die Familien der Hinterbliebenen der japanischen Kriegsopfer in doppelter Hinsicht eine tiefe Zäsur dar: auf Druck der US-amerikanischen Besatzungsmacht stellte der japanische Staat nicht nur die Zahlungen von Hinterbliebenenrenten ein, was viele Hinterbliebene an den Rand des Existenzminimums führte, sondern auch die Verehrung der Seelen der Getöteten im Kontext des Staatsshintô durch die politischen Repräsentanten Japans fand ein abruptes Ende, womit die sinnhafte Deutung des Soldatentodes ihrer Angehörigen fraglich wurde. Als Reaktion auf diese als tiefe Zäsur empfundenen Veränderungen gründeten sich bereits im Herbst 1945 überall im Land spontan Hinterbliebenenverbände, die sich als grassroots-Bewegungen für eine Verbesserung der Lage der Familien der Hinterbliebenen einsetzten und die sich schließlich 1947/48 eine nationale Struktur gaben. Diese politisch zunächst neutrale und stark pazifistisch orientierte, zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Millionen Anhänger zählende Bewegung entwickelte sich in den 1950er und 1960er Jahren, nunmehr unter dem Namen Nippon Izoku-kai (Japanischer Hinterbliebenenverband), zu einer der entscheidenden Vorfeld-organisationen der konservativen Regierungspartei LDP und in dieser Funktion zu einem der zentralen und ungemein einflussreichen erinnerungs- und vergangenheitspolitischen zivilen Akteure in der japanischen Gesellschaft, dessen wichtigstes Ziel eine erneute, an die Zeit vor 1945 anknüpfende religiös konnotierte Verehrung der japanischen Kriegsgefallenen im Yasukuni-Schrein durch den japanischen Staat ist. Das Projekt fragt einerseits nach den Ursachen von und Mitteln der Transformation der Nippon Izoku-kai von einem pazifistischen orientierten Opferverband zu einer der Vorfeldorganisationen der LDP. Andererseits soll der Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung der Nippon Izoku-kai für die Formulierung von Vergangenheitspolitik und die Aushandlungsprozesse von Erinnerung an den zweiten Weltkrieg in der japanischen Gesellschaft zuzuschreiben ist.
Schlagworte
Japan, Vergangenheitsdiskurs, Zivilgesellschaft
Kontakt
Prof. Dr. Gesine Foljanty-Jost
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Mühlweg 15
06114
Halle (Saale)
Tel.:+49 345 5524071
weitere Projekte
Die Daten werden geladen ...