- Wie kann das interdisziplinäre Konzept des unternehmerischen Nudgings systematisch in die existierende Literatur integriert bzw. abgegrenzt werden?
- Welche Nudges sind im unternehmerischen Kontext moralisch erlaubt und warum?
Daraus ergaben sich fünf Forschungsziele: Unternehmerische Nudges wurden I. einer systematischen Analyse unterzogen, II. in einem Klassifikationsschema nach Anwendungsgebiet und Mechanismus organisiert, III. aufgrund existierender moralischer Probleme kritisiert, IV. nach einem eigens dafür erstellten normativen Beurteilungsschema evaluiert, und V. beispielhaft im realen Kontext diskutiert.
In dieser Zusammenfassung wird ausschließlich auf Forschungsziel IV, die Gestaltung eines Beurteilungsschemas, eingegangen: Es handelt sich hierbei um eine partizipative, kontraktualistische Struktur. Der Vorteil einer kontraktualistischen Bewertung (in diesem Falle nach Scanlon (1998)) liegt in der Möglichkeit, sowohl deontologische (z.B. Autonomieverletzungen), als auch utilitaristische (z.B. Wohlfahrtsgewinne) Überlegungen miteinbeziehen zu können. Nach Scanlon wird gefragt, ob eine Handlung von den Betroffenen vernünftigerweise zurückgewiesen bzw. akzeptiert werden kann. Das bedeutet, dass die hinter einer Handlung liegenden Gründe bewertet und ggf. abgewogen werden müssen. Es ist daher möglich, dass eine kleine Autonomieverletzung (z.B. durch einen umweltfördernden Nudge) gerechtfertigt werden kann (da umweltschädliches Verhalten langfristig die Autonomie anderer (z.B. im globalen Süden) durch Naturkatastrophen etc. einschränkt). Diese kontraktualistische Abwägung wird in der Doktorarbeit mit Hilfe einer Reihe an diskutierten Argumenten für und gegen Nudging veranschaulicht. Allerdings wird auch die Frage aufgeworfen, ob Führungspersonen im Unternehmen die notwendige Expertise und Motivation haben, um allein die Verantwortung für eine Abwägung der moralischen Zulässigkeit von Nudges zu tragen. In einer nichtidealen Welt muss es einen Kontrollmechanismus geben. Daher enthält das Beurteilungsschema die zweite Komponente der Partizipation (nach Habermas 1983). Beeinflusste Personen müssen stets die Möglichkeit haben, den Nudge in Frage stellen und kritisieren zu können. Das verlangt angemessene Sicherheitsmaßnahmen (z.B. das Einverständnis des Betriebsrates) und vor allem Transparenz. Die Doktorarbeit schließt mit der Erkenntnis, dass gewissenhaft gestaltete Nudges im Unternehmenskontext einen positiven Beitrag für Umwelt, Gesellschaft und gute Unternehmensführung leisten können.
Prof. Dr. Philipp Schreck
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Wirtschaftswissenschaftlicher Bereich - School of Economics and Business
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